Es ist eine kleine Welt, in die Christian hineinwächst. Der Lehrling, gespielt von Franz Rogowski, arbeitet in einem großen Supermarkt in Ostdeutschland auf Probezeit. Er beginnt im Hellen mit der Arbeit, wenn er aber nachts mit dem Bus heimfährt ist es dunkel. Zwischen den hohen Regalen lässt Regisseur Thomas Stuber eine abgeschlossene Welt entstehen, die ihre eigenen Regeln besitzt. Die Welt von In den Gängen ist auch die Welt der ostdeutschen Arbeiterklasse. Die Wende ist im Film erst wenige Jahre her und so kann man diesen Supermarkt auch für eine politische Beobachtung nutzen.
Christian wird zu Beginn der Getränkeabteilung und damit dem alteingesessenen Bruno als Unterstützung zugewiesen. Bevor er den beeindruckenden Gabelstapler, der einen eigenen Führerschein verlangt, fahren darf, muss er sich einarbeiten, indem er Kisten schleppt. Der schweigsame Christian trifft auf einen fast ebenso ruhigen Arbeiter, der mit einer geheimnisvollen Traurigkeit umgeben ist. Bruno ist es allerdings, der dem stark tätowierten Christian entlockt, dass dieser einige Jahre wegen Ladendiebstahls im Gefängnis saß. Diese eigentlich vergangene Welt holt Christian in Form zweier alter Freunde ein, die ihn als tatsächlich arbeitenden Menschen nicht ernst nehmen und demonstrativ zwei Alkoholflaschen kaputtschlagen. Später wird Christian sie in einer Kneipe besuchen, ob er sich dauerhaft von ihnen losreißen kann, bleibt ungewiss.
Bruno (Peter Kurth) wird Christian später einmal zu sich nach Hause einladen und ihm in einer der wenigen außerhalb des Supermarktes spielenden Szenen seine Geschichte erzählen. Eine Verbindung zwischen den beiden ist allerdings vom ersten Moment an zu spüren und ohne, dass In den Gängen seine Figuren mit einer komplexe Familiengeschichte ausstattet, entwickelt sich die Form einer Vater-Sohn-Beziehung. Beziehungen dieser Art werden auch von der sehr ruhigen Inszenierung gefördert. Ohne große Reden zu schwingen, beobachtet der Film seine Figuren alleine bei ihrer Arbeit und füllt sie dadurch mit Leben. Nach etwas Einarbeitungszeit lernt Christian Marion von der Süßwaren-Abteilung kennen. Marion (Sandra Hüller) wird ihn auch Monate später noch immer als „Frischling“ bezeichnen und ihm mit einer ungewönlichen Mischung aus Offenheit und Zurückhaltung begegnen. Von der ersten Minute an ist Christian in Marion verliebt. Franz Rogowski schafft es diese Zuneigung alleine mit seinem Blick darzustellen, während Sandra Hüller ihre Marion mit einem unvergleichlichen Charme erfüllt und die beiden so eine schöne und glaubhafte Liebesgeschichte erzählen.
Thomas Stuber und Drehbuchautor Clemens Meyer, auf dessen 2008 im Erzählband „Die Nacht, die Lichter“ erschienener Kurzgeschichte der Film basiert, nutzen in der Geschichte von In den Gängen viele Klischees, begegnen aber fast jeder Figur mit Empathie und verwenden sie nicht nur als humoristisches Mittel. Neben dennoch sehr amüsanten Szenen gelingen somit dank der authentischen Figuren auch traurigere Momente. Unterlegt mit immer wieder überraschendem Musikeinsatz, der von Johann Strauss‘ „An der schönen blauen Donau“ bis hin zu modernen Elektrosongs wie „Easy“ von Son Lux reicht, fügt sich das zusammen mit der sichtbar gestalteten Bildästhetik zu einem runden Abgesang auf eine kleine, häufig übersehene Welt.
In den Gängen von Thomas Stuber
Deutscher Kinostart: 24. Mai 2018
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